Borussen Check23Wie in jedem Jahr (Ausnahmen bestätigen die Regel) wollen wir unserer Leserschaft unsere Sicht auf die Entwicklungen in der Sommerpause nicht vorenthalten. Hier ist er – unser Bundesliga-Check, in dem wir uns zunächst mit der Konkurrenz beschäftigen, die Borussia Mönchengladbach im kommenden Jahr das Leben schwer zu machen beabsichtigt. Die Redaktion hat dabei - regionalen Schwerpunkten sowie individuellen Zu- und Abneigungen folgend - die Vereine untereinander aufgeteilt. Der entsprechend Autor steht jeweils in Klammern hinter dem Vereinsnamen. Es geht los mit Teil 1 – den Aufsteigern:

SV Darmstadt 98 (Thomas Häcki)

Ihre nunmehr fünfte Bundesligasaison konnten die Hessen mit ihrem vierten Aufstieg klarmachen. Dreimal ist man in der Vergangenheit bereits abgestiegen. Zweimal hintereinander in der Bundesliga zu spielen ist bislang nur einmal gelungen. Ganz klar, die Lilien sind der Prototyp der grauen Maus, die so ein wenig zwischen den Welten wandelt und da hilft auch all die Euphorie nicht, die sich um den Aufstieg entfaltet hat. Um nicht falsch verstanden zu werden, die Wiederkehr hat sich der Verein verdient. Bereits im Vorjahr war man als vierter denkbar knapp gescheitert, diesmal konnte der Aufstieg bereits am 33ten Spieltag sichergestellt werden. Während man im Jahr zuvor ein wahres Offensivfeuerwerk abbrannte, war diesmal die Defensive ausschlaggebend für den Erfolg. 33 Gegentoren stellten den besten Wert von allen 18 Zweitligisten dar. Auch wenn es den anschließenden Feierlichkeiten wohl keinen Abbruch getan hat, die vier Gegentreffer in Fürth am letzten Spieltag waren dabei besonders schmerzhaft. Hierdurch wurde noch auf der Zielgraden die Zweitligameisterschaft und damit über drei Millionen Fernseheinnahmen aus der Hand gegeben. Geld, welches den solide wirtschaftenden Hessen bei der Kadergestaltung für das Abenteuer Bundesliga nun dringend fehlt.

Bereits frühzeitig wurde die Kaderplanung weitestgehend abgeschlossen, lediglich Celic und Seydel sollen möglichst noch von der Gehaltsliste runter. Ansonsten wurde die Aufstiegsmannschaft zusammengehalten, wobei die Abgänge von Philip Tietz und Patric Pfeiffer zum Ligakonkurrenten Augsburg schmerzen. Ersterer hatte zuletzt mit seiner Aussage, Darmstadt habe nicht so intensiv um seinen Verbleib gekämpft, für Misstöne gesorgt. Die Wahrheit dürfte wohl eher sein, dass der Verein finanziell keine großen Sprünge machen kann. So war der Schalker Marvin Pieringer ein Kandidat für die Tietz-Nachfolge, letztendlich hatte man aber finanziell das Nachsehen und musste aus dem Transferpoker aussteigen – wohlgemerkt gegen Mitaufsteiger Heidenheim. So wird man nicht müde, auf die Stärken des eingespielten Kaders zu verweisen und daneben fleißig am Image des sympathischen Underdogs zu basteln. Eine Rolle, die auch Trainer Thorsten Lieberknecht nur all zu gerne mitspielt. Solidität wird groß geschrieben bei den Lilien. Und so kommt auch aus dem Umfeld weder überschäumende Euphorie noch vorauseilender Pessimismus. Man freut sich einfach auf die Bundesliga.

„Wir sind gekommen, um zu bleiben“ äußerte von Sportdirektor Carsten Wehlmann. Ein hehrer Wunsch. Zwar haben einige Akteure, allen voran Torhüter Marcel Schuhen und Mittelfeldspieler Braydon Manu durchaus das Zeug, in der Bundesliga mitzuhalten. Insgesamt fehlt dem Kader aber mit insgesamt 117 Bundesligaspielen schlichtweg die Erfahrung. Besonders im Sturm drückt der Schuh. Während man in der Verteidigung mit der Verpflichtung von Christoph Klarer den Abgang von Pfeiffer vermutlich kompensieren konnte, stellt sich weiterhin die Frage, ob Tietz ersetzt werden kann. Das dies Hornby Fraser gelingt, darf zumindest in Frage gestellt werden, auch wenn dieser in der vergangenen Saison in Oostende durchaus überzeugen konnte. Überhaupt waren bereits in der vergangen Saison 50 Treffer allenfalls Ligadurchschnitt (zum Vergleich: Absteiger Bielefeld war genauso oft erfolgreich). Bei allem Zweckoptimismus: Darmstadt ist der Abstiegskandidat Nummer eins. Ein Klassenerhalt wäre ein ungeheurer Erfolg. Sollte es dazu kommen, würde Thorsten Lieberknecht sicherlich ein Denkmal gebaut werden. Ansonsten könnte Carsten Wehlmann einen anderen Helden-Song zitieren: „Kein Grund zur Panik.

1. FC Heidenheim (Christian Grünewald)

Was außer „ultimativer Underdog“ fällt einem zum 1.FC Heidenheim 1846 ein? Zunächst mal eine Mannschaft, die mit solider Arbeit auf und neben dem Platz seit Jahren im oberen Drittel der 2. Liga unterwegs war. Vor allem dank Trainer Frank Schmidt, der mit nun fast 16 Jahren Amtszeit zum Symbol und Synonym für den Verein geworden ist. Dass der direkte Aufstieg nach der erfolglosen Relegation vor drei Jahren in den buchstäblich allerletzten Sekunden der Saison 22/23 gesichert werden konnte, war eine Belohnung für die bemerkenswerte Konstanz des Vereins seit dem Aufstieg 2014. Und dann – es mag im Trubel der chaotisch-verrückten Nachspielzeit im Aufstiegsfernduell gegen HSV fast untergegangen sein – sogar als Zweitligameister und Radkappengewinner 2023. Der Erfolg und die Art, wie man diesen über die Geduld erzielt hat, macht es wiederum gar nicht mal so unvorstellbar, dass sich der 1. FCH vielleicht als ein neues „Darmstadt 2014“ entpuppen könnte (Wenn das nicht schon Darmstadt 2023 wird, aber dazu an anderer Stelle). Wer sich konsequent auf das Wesentliche – eine kompakte Defensive – konzentriert, kann vielen Teams in der Bundesliga (Achtung Borussia!!) den Spaß verderben. Dafür hat man die Mannschaft auf allen wichtigen Positionen zusammenhalten können. Torwart Kevin Müller ist ein erfahrener Rückhalt und hatte mit der Viererkette um Patrick Mainka die zweitbeste Abwehr der 2. Liga vor sich. Im Mittefeld fehlt es sicherlich an Kreativität und, wie in der ganzen Mannschaft, an fast jedweder Erfahrung in der höchsten Spielklasse – Heidenheim ist von Papier her eine Zweitligamannschaft durch und durch. Auch die Neuzugänge sind in dieser Kategorie wenig auffällig, der bisherige „Königstransfer“ Marcel Pieringer (kolportierte 1,8 Mio. Ablöse an Schalke 04) traf vergangene Saison als Leihspieler zehnmal für Ligakonkurrent Paderborn. Dafür hat Heidenheim selbst noch treffsicherere Angreifer in den eigenen Reihen: Zweitliga-Torschützenkönig Tim Kleindienst (1,94 m, 25 Treffer) darf sich nun eine Liga höher versuchen und hat mit Jan-Niklas Beste weiterhin einen kongenialen Partner auf dem Platz, der mit 12 Toren und 13 Vorlagen hinter Kleindienst und dem Hamburger Glatzel den ligaweit dritten Platz bei den Topscorern belegte. Wiederholen sie das auch in der höchsten Spielklasse einigermaßen, könnte die Formel lauten „Hinten sicher, vorne hoch auf den Langen“. Auch wenn Frank Schmidt nicht für den „Terrorfußball“ einiger Trainerkollegen bekannt ist, könnte dies eine durchaus erfolgreiche Formel für den Außenseiter sein. Nichtsdestotrotz – alles außer Abstiegskampf bis in die letzten Spieltage wäre für Heidenheim fast schon eine Sensation.