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So hatten wir uns das eigentlich nicht vorgestellt! Wer die Prognosen im Vorbericht von SEITENWAHL gelesen hat weiß – wir hatten ein zähes, unansehnliches Spiel bestellt, in dem Augsburg wie Augsburg spielt und das wahlweise knapp für Gladbach oder Augsburg ausgeht. Oder wenn unentschieden, dann 0:0 oder 1:1. Aber wahrscheinlich lesen weder die Gladbacher noch die Augsburger Spieler unseren Vorbericht und deshalb ging das Auftaktspiel von Borussia Mönchengladbach in Augsburg 4:4 aus. Es war ein 4:4, das sich am Ende ein bisschen wie ein Sieg anfühlte, kam es doch buchstäblich in der letzten Sekunde der Nachspielzeit durch einen mehr als zweifelhaften Elfmeter zustande, den Tomas Cvancara zum Endstand verwandelte. „Der Mann hat Eier, das gefällt mir!“ durfte ich dazu in einem Whatsapp-Chat-Lesen, als ich just genau denselben Gedanken hatte.

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Dem vorausgegangen war eine Achterbahnfahrt, wie man sie in einem Duell zwischen Borussia Mönchengladbach und dem FC Augsburg selten erlebt hatte. Gladbach ging durch einen humorlosen Kopfball nach einer Honorat-Ecke durch Itakura in Führung (So ein schlichtes Tor gab es gefühlt lange nicht auf Seiten der Borussen …) und baute diese nach einem schönen Spielzug über Weigl durch Cvancara zügig aus. Zu diesem Zeitpunkt durfte man kurzzeitig entspannen, hätten dies nicht auch die Gladbacher Defensivspieler getan, die Rexhbecaj völlig frei kurz vor dem Strafraum zum Schuss kommen ließen, wofür der sich mit dem Anschlusstreffer bedankte.

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Danach folgte eine erneute Slapstick-Einlage der Augsburger Abwehr, die es Ngoumou erlaubte, einen Abwurf anzunehmen, sich weit vorzulegen, um dann die vorhandenen Verteidiger mit all seiner Geschwindigkeit zu überlaufen und mit dem in der Vorbereitung erworbenen Selbstvertrauen einzunetzen. Es folgte eine Augsburger Druckperiode, die die Gladbacher Defensivschwächen gnadenlos aufdeckte. Eine mutmaßlich einstudierte Standardvariante führte zum 2:3, ehe Luca Netz dann in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit einmal mehr überhaupt nicht im Bilde war, gegen seinen halb vorbeiziehenden, halb schon fallenden Gegenspieler nachstocherte, diesen klar berührte und so einen überflüssigen Elfmeter verursachte, den Sven Michel zum 3:3 verwandelte.

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Anfang der zweiten Halbzeit machte das Spiel ein wenig Pause – Gladbach war in dieser Phase die klar bessere Mannschaft, erarbeitete sich auch einzelne Chancen, verpasste aber die erneute Führung. Die erzielte Augsburg, nachdem Netz während eines Augsburger Angriffs Richtung Mitte trabte und dabei zwei Gegenspieler auf seiner linken Seite komplett vergaß. Vargas machte dann mit einem strammen Schuss das Tor, auch wenn der nicht ganz unhaltbar war. Danach war bei Borussia ein bisschen der Riemen runter, Spielfuss kam nicht mehr zustande. Immerhin brachte man den Ball noch einmal in den Strafraum mit dem eingangs erwähnten Ende. 

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Erkenntnisse aus diesen Spiel?

Die Defensive ist nach wie vor eine Baustelle. Innen hatten Itakura und Wöber (dessen Körpersprache deutlich resoluter wirkt als der manchmal zu brave Elvedi) das meiste im Griff. Besorgniserregend waren aber die Leistungen beider Außenverteidiger. Scally war ein ständiger Unsicherheitsfaktor, spielte zahlreiche Fehlpässe, war aber immerhin an keinem Gegentor direkt beteiligt. Er hatte es allerdings auch etwas leichter, weil auf seiner Seite Honorat sehr aufmerksam mit nach hinten arbeitete und einige Situationen unterband. Netz dagegen war völlig indisponiert, seine Laufwege unerklärlich, die linke Abwehrseite in der Regel komplett offen. Er war beim ersten Gegentor zu weit weg vom Schützen und verdeckte außerdem noch dem Torwart die Sicht, verursachte den Elfmeter und verlor beim 3:4 nicht nur den Torschützen komplett aus den Augen. In dieser Verfassung sind die beiden Außenverteidiger ein echtes Risiko, insbesondere in den Folgespielen gegen Leverkusen und Bayern, die ja vor Tempo auf den offensiven Außenpositionen geradezu strotzen. Gerardo Seoane muss sich dringend etwas einfallen lassen, um die Defensive zu stabilisieren – entweder eine defensiv stabilere Besetzung der Viererkette oder aber eine Umstellung auf drei Abwehrspieler mit Schienenspielern auf den Außenpositionen.

Demgegenüber funktioniert die Offensive mit Plea als Ballverteiler (in dieser Funktion unterstützt von Weigl und Neuhaus) sowie der Sturmreihe Ngoumou, Cvancara und Honorat auf den ersten Blick sehr gut (auch wenn das erstaunlich sorglose Augsburger Abwehrverhalten ihnen das leicht machte). Diese Spieler scheinen zu harmonieren, was nach einigen Wochen Vorbereitung nicht selbstverständlich ist. Das Offensivspiel wirkt zielgerichteter als zuletzt, insbesondere Cvancara und Honorat scheinen auch nicht gewillt zu sein, sich von hart agierenden Verteidigern den Schneid abkaufen zu lassen. Honorat schlägt gute Ecken, auch das sah besser aus als zuletzt. Auch war es eine gute Idee, nicht extrem hoch zu verteidigen und den Augsburgern viel Ballbesitz zu überlassen, weil die genau damit nicht viel anfangen konnten und weil diese Taktik es nach Balleroberungen erlaubte, die Geschwindigkeit z.B. von Ngoumou endlich auch einmal zu nutzen.

Licht und Schatten beim Spektakel in Augsburg, das ist wohl das Fazit dieses Spiels.