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Nicht nur Kenner des Sport1-Phrasenschweins wissen: Der Fußball ist rein ergebnisorientiert. Einen Gegenbeweis für diese These bot allerdings die Auftaktpartie der Borussia in die neue Bundesligasaison 2014/15. So sprach Trainer Lucien Favre von einem „gewonnenen Punkt“ und auch ein Großteil der Fans verließ das Stadion nach dem 1:1 gegen den VfB Stuttgart einigermaßen zufrieden. Wären Halbzeitleistungen und Torfolge andersherum aufgetreten, so wäre beim gleichen Ergebnis von einem verkorksten Saisonauftakt die Rede gewesen. Dass es anders kam, dafür sorgte der Mut machende Spielverlauf, in dem sich die Mannschaft enorm zu steigern verstand. Nach einer schwachen ersten Halbzeit und dem schnellen Rückstand nach dem Seitenwechsel gelang es der Fohlenelf, den Schalter umzulegen und endlich so offensiv-druckvoll aufzutreten, wie man es sich von Beginn an vorgenommen hatte.

Wie auch immer man das Spiel letztlich wahrgenommen haben möchte, so gab es unbestritten viel Positives, aber auch einiges Negatives zu beobachten. Wieder einmal gelang es Borussia nicht, eine Topleistung über 90 Minuten abzurufen – ein Problem, das schon im vergangenen Jahr immer wieder auftrat und schon damals (noch) bessere Ergebnisse verhinderte. Wieder einmal zeigte die Mannschaft aber guten Charakter und eine vorbildliche Moral, mit der sie sich von Rückschlägen nicht unterkriegen ließ. Auf den einzelnen Positionen konnten zudem einige neue Erkenntnisse gewonnen werden.

Tor

Yann Sommer stand schon nach nur zwei Pflichtspielen in der Diskussion. Das dritte wird diese leider (noch) nicht verstummen lassen. Zu wenige Gelegenheiten boten sich ihm, seine erwiesenermaßen hervorragenden Reflexe auf der Linie nachzuweisen. Lucien Favre hob zwar hervor, dass der Keeper mit starken Paraden zunächst das 0:1 und später das 0:2 verhinderte und damit ganz wesentlich zum Punktgewinn beitrug. Nicht zu übersehen waren aber Sommers Schwächen bei nahezu jedem Ball, der hoch in Richtung Strafraum geschlagen wurde. In den letzten Jahren konnten sich die Abwehrspieler ebenso wie die Fans darauf verlassen, dass solche Bälle scheinbar mühelos von Marc-André ter Stegen heruntergepflückt wurden. Es ist aber unfair und nicht zielführend, den neuen Mann mit einem der weltbesten Torhüter zu vergleichen. Der Schweizer Nationalkeeper hat eine starke Präsenz und Ausstrahlung, die er noch stärker dazu nutzen muss, um den Strafraum zu seinem Territorium zu erklären, in dem nur er die (Luft-)Hoheit hat. In Abstimmung mit seinen Vorderleuten wird er auf diese Weise lernen müssen, Flankenbälle besser zu verteidigen.

Abwehr

Aus einem Gladbacher Einwurf war das 0:1 entstanden, bei dem die Viererkette eine erschreckende Figur abgab und Maxim unfassbar frei vor Borussias Torhüter auftauchen konnte. Dies ist umso unverständlicher, als dass dieselbe Viererkette ansonsten eine erfreulich gute Leistung zeigte, insbesondere im Vergleich zu den vorangegangenen Spielen. Mit Dominguez und Korb hatte sich Favre für die jeweils defensiveren Außen entschieden, was zur gestiegenen Stabilität beitrug, in Halbzeit 1 aber auch entsprechende Offensivimpulse vermissen ließ. Dominguez krönte seine gute Leistung später dann mit der Vorbereitung des Ausgleichs und hat so vorläufig die Nase vorn im Duell mit Oscar Wendt. Julian Korb zeigte seine gewohnt solide Durchschnittsleistung. Angesichts der Schwächen, die Johnson in Sarajevo defensiv offenbarte, gilt dieser zunächst eher als Alternative für die offensiven Außenbahnen.

Zentrales Mittelfeld

Nichts Neues gab es (anfänglich) auf der Doppel-6 zu beobachten. Nordtveit und Xhaka demonstrierten einmal mehr, dass sie im Zusammenspiel nicht die Ideallösung darstellen. Zwar wurde den Stuttgartern wenig zugelassen, was aber vornehmlich auch an der defensiv ausgerichteten Viererkette lag. Für das Offensivspiel gingen aber von beiden 6ern zu wenige Impulse aus. Xhaka schlägt hin und wieder richtig gute Pässe und strahlt mit seinen Distanzschüssen (mal mehr, mal weniger) Gefahr aus. Demgegenüber stehen aber weiterhin zu viele haarsträubende Ballverluste und Fehlpässe, die er sich auf dem von ihm anvisierten Niveau nicht leisten kann.

Deutlich besser machte es Christoph Kramer, der bei seinem Kurzeinsatz auffälliger agierte als seine Konkurrenten. Von Verunsicherung angesichts der Diskussionen um seine Person keine Spur. Stattdessen ging der Weltmeister mit einem beachtlichen Selbstbewusstsein ins Spiel, legte Hazard genial eine Großchance auf und rettete schlussendlich höchstpersönlich das Remis. In der Form kann es zukünftig nur noch um die Frage gehen, wer neben Kramer wird auflaufen dürfen. Favre deutete an, dass er ihn „peu a peu“ an die Startelf heranführen möchte, ließ dabei aber offen, ob es vielleicht sogar schon am kommenden Donnerstag soweit sein könnte. Da er und auch der Spieler selbst aber mehrfach unterstrich, dass er seit Mai kein Spiel über 90 Minuten bestritten habe, spricht vieles dafür, dass er in den nächsten beiden Partien weiterhin zunächst von der Bank kommen wird. In der Zwischenzeit wird vermutlich das Duo Nordtveit/Xhaka weitere Chancen bekommen, auch wenn es bislang offensichtlich nicht funktioniert. Favre wäre hier etwas mehr Mut zu wünschen, die Option Dahoud ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Gegen Stuttgart schaffte es das Talent allerdings nicht einmal in den Kader.

Flügelpositionen

Lucien Favre zeigte sich nach Spielende zufrieden darüber, dass sich „einige Spieler“ taktisch enorm verbessert gezeigt hätten. Ibrahima Traore ist hier an vorderster Front zu nennen, der gegen seinen alten Verein eine überzeugende Leistung ablieferte. In Halbzeit 1 war er gar der einzige Spieler, von dem Offensivimpulse ausgingen. Etwas unglücklich hingegen der Auftritt von André Hahn, der einige Bälle verstolperte und in der Rückwärtsbewegung weiterhin schwächelt. Seine Wucht und Dynamik kann eine Waffe sein, die gegen den VfB leider nicht zündete, auf die Favre aber sicher nicht in Gänze wird verzichten wollen. Mittelfristig wird sich der Ex-Augsburger aber taktisch enorm verbessern müssen, um nicht schon bald in die Rolle des Edeljokers abzurutschen. Dies könnte dann u. a. die Chance sein für Patrick Herrmann, der gegen Stuttgart enttäuscht zur Kenntnis nahm, nicht einmal als Einwechselspieler gebraucht zu werden. Dass ihm Hazard und Johnson vorgezogen wurden, hat er aber durch sein wenig inspiriertes Spiel in Sarajevo selbst zu verantworten. Er sollte die aktuelle Situation daher nicht als Degradierung verstehen, sondern als Motivation, aus seinen hervorragenden Möglichkeiten mehr zu machen.

Angriff

Im Grunde lief das Spiel für Branimir Hrgota ähnlich wie die beiden vorherigen. Auch dort blieb er über weite Strecken blass und nahm nur sporadisch am Spielgeschehen teil, konnte sich dann aber mit jeweils zwei Toren entscheidend auszeichnen. Kleiner Schönheitsfehler: Gegen Stuttgart versprang ihm der Ball bei seiner Großchance aus 3 Metern und sein späteres Tor wurde wegen knappem Abseits zurecht abgepfiffen. Wenige Zentimeter entscheiden oftmals zwischen Gut und Böse. Daraus jetzt eine Untauglichkeit des Schweden für Spiele gegen stärkere Gegner abzuleiten, ist genauso verfehlt wie ihn nach seinen beiden vorherigen Doppelpacks zum künftigen Torschützenkönig hochzujubeln. Max Kruse wird in dieser Woche wieder mit dem Lauftraining beginnen, aber schon noch einige Wochen benötigen, ehe er im Vollbesitz seiner Kräfte ist. Wenn es gut läuft, kann er nach der Länderspielpause – also im Heimspiel gegen Schalke oder eine Woche später beim Derby in Köln – zumindest wieder in den Kader zurückkehren. Ein zusätzlicher Stürmer wird aller Voraussicht nach in dieser Transferperiode nicht mehr verpflichtet. Die Tore von Hrgota und die beiden überzeugenden Kurzeinsätze von Thorgan Hazard dürften das Management überzeugt haben, dass die Saison auch mit dem vorhandenen Personal bestritten werden kann.

Alles in allem war das Stuttgart-Spiel ein Fortschritt auf der Suche nach dem perfekten Favre-Mix. Die Viererkette hat sich in defensiver Variante gefunden und wird vorläufig wohl so beibehalten, um zunächst einmal die Stabilität im Spiel zu gewährleisten. Auf der Doppel-6 wird über kurz oder lang Christoph Kramer zurückkehren, im Sturm sollte an Max Kruse nach vollständiger Genesung kein Weg vorbeiführen. Die spannendsten Fragen der nächsten Wochen werden sein, wer sich als zweiter 6er durchsetzen kann und wie die offensiven Außenbahnen besetzt werden. Traoré hat sich auf links einen kleinen Vorsprung erarbeitet. Hahn, Herrmann, Johnson und Hazard kämpfen um den zweiten Platz. Es bleibt also spannend im Borussia-Park, wenngleich selbiges hoffentlich nicht auf den kommenden Donnerstag zutreffen wird.