HSVBorussen-Fans ist natürlich schon lange klar, dass ihr Verein, obwohl offiziell nur knapp 116 Jahre alt, so recht erst in überzeitlichen und kosmischen Dimensionen zu denken ist. So fügt sich denn das (in weniger borussenaffinen Kreisen zu wenig beachtete) Zusammentreffen zweier bedeutsamer Ereignisse in dieser Woche: Zum einen verkündeten Wissenschaftler, den Nachweis der von Albert Einstein vermuteten Gravitationswellen, was in manchen Medien zu Spekulationen führte, künftig könnten auch Zeitreisen möglich sein (welche Bedeutung hätte dann aber der Begriff „künftig“?).  Zum anderen kehrte bei Patrick Herrmann so verfrüht ins Gladbacher Mannschaftstraining zurück, dass zu lesen war, Herrmann sei „seiner Zeit voraus“, so gesehen also ein fußballerischer Zeitreisender.


HerrmannDass gerade Herrmann für die Aufhebung von Raum und Zeit prädestiniert ist, davon können Dortmunder Verteidiger ein Lied singen. Beim Gladbacher 3:0 im April letzten Jahres erzielte Herrmann ein Tor nach einem Sturmlauf, bei dem er zurückkehrte, bevor er losgelaufen war, und hinterließ in der Dortmunder Abwehr ein schwarzes Loch der Verwirrung. Ganz so rasant ging es mit seiner Genese diese Woche zwar doch noch nicht, so dass der Rückkehrer frühestens für das rheinische Derby eine Alternative sein wird. Aber auch so entspannt sich die Gladbacher Personallage.

Das liegt zum einen an aufsteigenden Formkurven: Auf den Außenbahnen konnte Thorgan Hazard, auch dank guter Absicherung nach hinten durch den stark verbesserten Elvedi, gegen Bremen seinen Hang zum Risiko zum Wohle der Mannschaft einbringen. Ein weiterer Startelfeinsatz für den Belgier ist in Reichweite. Auf den darf sich der aber auch Traoré berechtigte Hoffnung machen, dessen Trainingsleistungen André Schubert ausdrücklich lobte. Zumindest auf eine Einwechslung spekulieren wird schließlich der millionenschwere Wintereinkauf Jonas Hoffmann, der nach seiner Nichtberücksichtigung gegen Bremen noch während des Spiels den engagierten Gedankenaustausch mit dem Gladbacher Trainerteam suchte.

XhakaZum anderen verändert die Rückkehr des Kapitäns das Personaltableau: Dass Granit Xhaka in der kommenden Spielzeit noch das Gladbacher Trikot trägt, darf man getrost bezweifeln. Auch dass er gegen Köln dabei sein wird, ist angesichts vier gelber Karten und seiner bisherigen Anfälligkeit für gezielte Provokationen durchaus fraglich. In Hamburg aber führt am Schweizer natürlich kein Weg vorbei. Das verkompliziert die Dinge insofern, als sowohl Mo Dahoud als auch Havard Nordtveit gegen Werder Bremen im zentralen Mittelfeld überragend agierten.  Gleichwohl ist die zu erwartende Variante, dass Schubert auf der Doppelsechs zum bewährten Duo Dahoud/Xhaka zurückkehrt und Nordtveit an anderer Stelle zum Einsatz kommt: sei es auf seiner Lieblingsposition in der Innenverteidigung (dann wohl statt Hinteregger), sei es als rechter Verteidiger (dann statt Elvedi bzw. Korb). So oder so: Schubert hat defensiv wie offensiv die Qual der Wahl – die Borussia aber auch keine personalbezogenen Alibis für etwaige schwarze Löcher in der eigenen Defensive.

Beim Gegner wähnt man sich indes auf einer Zeitreise, auf die man gern verzichtet hätte: Nur ein Punkt in der Rückrunde und auch der überaus glücklich, Schlagzeilen durch Trainingsentgleisung nebst Abstrafung, karnevaleske Abwehrpatzer und harmlose Offensive, in von Woche zu Woche lauter heulendes Abstiegsgespenst – solche Zeiten hatte man gehofft, unter Bruno Labbadia endlich, endlich hinter sich gelassen zu haben. Mit dem erst dank hoch umstrittener Freistoßentscheidung in der Schlussminute des zweiten Relegationsspiels erreichten Klassenerhalt im letzten Jahr hat der Verein sein Glückskonto ohnehin schon weit überzogen.

Hamburger Optimisten beziehen Hoffnung daraus, dass die Mannschaft zuhause gegen Topteams der Liga ordentliche bis gute Leistungen zeigte: Schalke und Bayern lieferte man vor heimischem Publikum einen großen Kampf und musste sich am Ende jeweils nur knapp geschlagen geben, gegen Leverkusen kam man zu einem Remis, gegen Dortmund gar zu einem Sieg. Ansonsten setzt Bruno Labbadia neben den Insiderinformationen von Josip Drmic auch auf eine Leistungsexplosion der Gladbacher Leihgabe, die bei seinem erstem Einsatz im Hamburger Trikot noch vieles zu wünschen übrig ließ. Im Hamburger Training zumindest agierte Drmic dieser Tage zumeist als einzige Spitze im A-Team, bisweilen vertreten durch Artjoms Rudnevs. Pierre-Michel Lasogga dagegen dürfte sich nach den Trainingseindrücken zunächst auf der Ersatzbank wiederfinden. In der Abwehr muss der Trainer zudem den gesperrten Djourou ersetzen, der gegen Köln allerdings ohnehin ein Gegentor verschuldete. Gleichwohl wird sein Ausfall in Hamburg bedauert, angesichts der bislang überschaubaren Leistungen von Ersatzmann Cléber.

Aufstellungen:

Hamburger SV: Adler – Diekmeier – Cléber, Spahic, Ostrzolek – Kacar, Holtby – Müller, Hunt, Ilicevic – Drmic.
Borussia Mönchengladbach: Sommer – Nordtveit, Christensen, Hinteregger, Wendt – Xhaka, Dahoud – Hazard, Johnson – Raffael, Stindl.

Schiedsrichter: Deniz Aytekin.
Assistenten: Christian Dietz, Christian Leicher.
Vierter Offizieller: René Rohde.

SEITENWAHL-Meinung:

Christoph Clausen: Borussia sucht zwar hier und da noch nach Stabilität. Gegen den Hamburger SV in seiner aktuellen Verfassung reicht es aber zu einem einigermaßen ungefährdeten 2:0-Erfolg.

Michael Heinen: Borussia ist wieder in der Spur, da sollte es für einen Sieg beim kriselnden HSV reichen. Mit 2:1 behält die Schubert-Elf die Oberhand und setzt sich damit in den internationalen Tabellenrängen fest.

Christian Spoo: Disziplin wird bei diesem Spiel nicht groß geschrieben. Für Außenstehende enorm unterhaltsam trennen sich der HSV und Borussia 3:3.