bochum neu

Regelmäßigen Lesern unseres kleinen aber feinen Webportals wird bekannt sein, dass die Seitenwahl-Redaktion nicht für ihren überbordenden Optimismus bekannt ist und dementsprechend war auch die Reaktion als am 30.6 dieses Jahres der Bundesligaspielplan bekannt macht wurde. „Erster Heimsieg am 28. Oktober!“ war nur einer von vielen eher düsteren Kommentaren. Auch wenn Kollege Spoo die frühe Formschwäche des FSV Mainz 05 damals nicht erahnen konnte, ist diese nostradomische Prophezeiung nun schon zu 75 % eingetroffen und bei 2 Punkten aus 5 Spielen darf man schon mal das Wort Fehlstart in den Mund nehmen. Natürlich wäre mit etwas Glück eine bessere Ausbeute drin gewesen, gerade das letzte Spiel gegen Leipzig hätte eigentlich einen Punkt für die Borussia verdient gehabt, aber eine Gesamtbilanz von 1:6 daheim gegen Gegner gegen die man im Vorjahr noch 6 Punkte und 8:5 Tor erzielt hat, deutet den Substanzverlust an, den die Borussia über den Sommer erlitten hat. Die lustlos-lethargischen Auftritte von Spielern wie Thuram oder Bensebaini mögen manchen Fan zur Weißglut gereizt haben, aber mit ihrem Weggang und den gleichzeitigen Verlust von Stindl und Hofmann fehlt der Borussia jede Menge Qualität, was sich jetzt auch tabellarisch ausdrückt.

Natürlich ist nicht alles schlecht, was die Fohlenelf bislang so in dieser Saison gezeigt hat. Thomas Cvancara hat mit 3 Toren in seinen ersten 4 Spielen einen guten Einstand gehabt, Wöber hat sich in der Defensive als Stammspieler etabliert, Honorat bringt mit guten Standards Gefahr und Rocco Reitz scheint endlich das Potenzial abzurufen, dass man ihm schon immer nachsagte. Im Einzelnen und Kleinen klappt so manches: in Augsburg war die Chancenverwertung stark, gegen Bayern und Leipzig gab es konzentrierte Abwehrleistungen, in der zweiten Halbzeit in Darmstadt hat man sehr gekonnt die Feldüberlegenheit offensiv ausgespielt. Aber bislang ist das viel Stückwerk, dass noch nicht so richtig zusammengekommen ist. Kein Wunder also, dass man sich etwas Hilfe von der „alten Borussia“ erhofft, von der man sich ja eigentlich schon verabschieden wollte: So werden aus in der Sommerpause schon bei anderen Vereinen gewähnten Spielern wie Kone und Elvedi (dazu auch noch Rückkehrer Christoph „Oppa erzählt von der WM“ Kramer) auf einmal Hoffnungsträger für eine stabilere Borussia. Alles gute Gründe, daran zu glauben, dass der VFL bald richtig in den Tritt kommt, aber der im Negativstart angesammelte Rucksack wird noch eine Weile schwer wiegen. Die kommenden Gegner lauten: Bochum, Mainz, Köln und Heidenheim. Selbst bei ordentlichen 8 Punkten aus diesen 4 Spielen würde man nach dem 10. Spieltag (mit zu erwartender Niederlage in Freiburg) einen Punkteschnitt von genau 1 vorweisen: die typische Bilanz eines Teams, das auf einen Platz in der Relegation zusteuert. Der Druck wird daher bei jeder dieser Partien extrem hoch sein.

Den Anfang dabei macht das Spiel am Samstag in Bochum. Dort hat Trainer Thomas Letsch etwas das Problem, dass wenn man zuvor gekonnt Wasser in feinsten Chardonnay verwandelte, tänzerisch über das Wasser lief und letztendlich elegant eine Wiederauferstehung hinbekam, sich die Leute an die Wunder gewöhnen, aber vergessen wird, dass man auch weiterhin abgesehen von den Aufsteigern immer noch den Kader mit kleinstem Marktwert der Liga hat. Fast so als wolle man das unterstreichen, ist der VFL Bochum bislang auch das Team mit der schlechtesten Tordifferenz der Liga: niemand erzielte weniger Treffer als die Truppe von Letsch (4) und niemand bekam mehr eingeschenkt (16). Dies liegt an einem katastrophalen Saisonauftakt in Stuttgart und dem fast schon traditionellen 0:7 in München (es war die dritte Klatsche dieser Höhe gegen die Bayern seit dem Wiederaufstieg des VFL). Dazwischen gab es jedoch 3 durchaus passable Auftritte der Bochumer, die jeweils Unentschieden endeten: daheim dabei gegen den Vizemeister Dortmund und Ex-Europaleague-Sieger Frankfurt und augswärts in Ausburg (oder umgekehrt). In keinem der drei Spiele war der Punktgewinn glücklich, im Gegenteil: vor allem gegen Frankfurt hätte man sehr gut auch gewinnen können. Insofern sollte sich Gladbach nicht auf ein leichtes Spiel einstellen, zumal man vor knapp einem Jahr schon mal in Bochum bitter enttäuschte. Beim 1:2 der Vorsaison ließ man sich in der ersten Hälfte komplett den Schneid abkaufen und schlug damit einen weiteren Sargnagel in die Zeit von Daniel Farke als Gladbachs Cheftrainer. Bochum mag in der Breite nicht allzu hochwertig aufgestellt sein, aber die Mannschaft hat den Vorteil weitestgehend eingespielt zu sein und auf Schlüsselpositionen auch hohe Qualität zu besitzen. Dabei sind besonders Spielmacher Kevin Stöger zu nennen, der sich bislang in sehr guter Form zeigte, wie auch der quirlige japanische Stürmer Asano, dem bereits 3 Tore in dieser Saison gelangen (damit 75 % aller Bochumer Tore). Sollte sich Gladbach in der Anfangsphase ähnlich schläfrig wie in Darmstadt zeigen, wird es gegen Bochum kaum gelingen, den Rückstand so leicht wieder aufzuholen.

Bei der Borussia gibt es im Sturm leichte Fragezeichen. Alassane Plea litt der Tage unter einer Bindehaut-Entzündung die ihm vom Training abhielt, scheint aber wieder fit zu sein. Thomas Cvancara hat weiterhin mit seiner Oberschenkelverletzung aus dem Darmstadtspiel zu kämpfen und konnte bislang in dieser Woche nur Einzeltraining betreiben. Gerade der Tscheche wäre als Zielspieler im Zentrum wichtig, da Jordan trotz seines Tores in Darmstadt noch etwas die Einbindung ins Gladbacher Spiel fehlt. Die Qual der Wahl hingegen stellt sich allmählich im Mittelfeld. Manu Kone hatte gegen Leizpig ein insgesamt gutes Comeback angesichts der langen Pause und sollte, wenn er fit und in Form ist, in der Stammelf gesetzt sein. Da ähnliches für Interimskapitän Julian Weigl gilt und Rocco Reitz in den letzten Spielen eine deutliche Belebung des Gladbacher Spiels darstellte, wird es für Florian Neuhaus, der auch gegen Leipzig erst in der Schlussphase ins Spiel kam, womöglich eng in den nächsten Wochen. Defensiv könnte eine Dreierkette mit Itakura, Elvedi und Wöber nach den Eindrücken des Leipzig-Spiels durchaus Zukunft haben und dass trotz des monatelangen Ausfalls von Kapitän Jonas Omlin niemand in Mönchengladbach zurzeit über die Torwartposition diskutiert, sagt einiges über die Leistungen von Moritz Nicolas in den bisherigen Spielen aus.

Die heikle Aufgabe in den nächsten Wochen für Gerardo Seoane und sein Team wird es sein die Balance zwischen dem langfristigen Aufbau eines Teams und dem kurzfristigen Bedürfnis an sportlichem Erfolg zu finden. Denn machen wir uns nichts vor: Sollten in diesen kommenden vier Spielen gegen Abstiegskandidaten, die bislang kollektiv in 20 Spielen genau einen Sieg erzielt haben (Heidenheim gegen Bremen) nicht endlich mal ein paar Siege bei herumkommen, wird die bisherige vor allem von Fanseite demonstrierte Geduld schnell abnehmen. Vielleicht hilft es dabei nicht so sehr auf die „nur“ 2 eigenen Punkte zu starren, sondern auf den einen Punkt Vorsprung, den man auf den Relegationsplatz hat: Die Borussia muss nämlich nur in den verbleibenden 29 Spielen mindestens so gut wie Darmstadt, Mainz und Köln abschneiden und schon ist zumindest der Klassenerhalt sicher. Ein Sieg in Bochum wäre ein ganz wichtiger Schritt dorthin.

Seitenwahl-Tipps:

Claus-Dieter Mayer: Drittes Auswärtsspiel gegen den dritten Abstiegskandidaten. Nach 4:4 und 3:3 kann es ja eigentlich nur… genau, ein 3:0 für Bochum geben. Die Alarmglocken in Möchengladbach läuten darauf ziemlich schrill.

Christian Spoo: Borussia hat in Darmstadt auf die harte Tour lernen müssen, wie man gegen leidenschaftlich kämpfende Teams agiert. Aber gelernt ist gelernt und deswegen gibt es in Bochum den ersten Saisonsieg. 2:0 für Borussia.

Michael Oehm: Stefan Effenberg, Experte und Zeit Lebens untadeliger Sportsmann, hat vor den nächsten zwei Spielen vier Punlte gefordert, sonst ginge die Borussia ab (Darstellung verkürzt, aber in der Sache richtig). Borussia ist nach dem 2-2 also im Soll.

Thomas Häcki: 2x Auswärtssieg getippt, 2x Unentschieden bekommen. Deshalb tippe ich jetzt aus Aberglaube 3:2 für Bochum.

Michael Heinen: Bochum ist ein unangenehmes Auswärtsspiel zu einem unangenehmen Zeitpunkt. Leider klappt es erneut nicht mit dem ersten Saisonsieg. Stattdessen gibt es durch ein 1:1 das dritte Auswärtsremis in Folge.