seitenwahl 202001251716 AJ7X7344Wer gegen den Tabellenletzten zuhause über ein 2:2 nicht hinauskommt, der darf damit nicht zufrieden sein. Es wäre aber ebenso falsch, mit der Partie vom Freitagabend völlig unzufrieden zu sein. Denn neben dem ernüchternden Ergebnis bot sie einige positive Erkenntnisse, die für die Zukunft noch wertvoll sein können.

Gerardo Seoane entschied sich nachvollziehbarerweise, derselben Elf sein Vertrauen auszusprechen, die in der Vorwoche den VfL Bochum über weite Strecken dominiert und mit 3:1 hoch verdient geschlagen hatte. Dies implizierte, mit Manu Koné und Tomas Cvancara zwei der in Bestform wichtigsten Spieler im Kader zunächst weiterhin auf der Bank zu belassen. Eine Entscheidung, die sich zunächst auszuzahlen schien, denn Borussia war in den ersten 20 Minuten drückend überlegen. Aufgrund des an diesem Abend stärkeren Gegners nicht ganz so dominant wie in der Vorwoche, aber dennoch in einer Art und Weise, dank der das 1:0 durch Florian Neuhaus zu diesem Zeitpunkt mehr als überfällig war.

Alassane Plea war bis dato der auffälligste Akteur gewesen mit einigen guten Abschlussaktionen, die er aber weniger glücklich vollendete als im Ruhrstadion. Obwohl der Franzose in Halbzeit zwei nachließ und zurecht ausgewechselt wurde, ist die Partie eher als eine (schwächere) Fortsetzung seines Aufwärtstrends zu werten denn als Rückschlag.

seitenwahl 202001251704 AJ7X7255Knackpunkt des Spiels war das frühe 1:1, das den Mainzern aus dem Nichts in den Schoß fiel und sich als Wirkungstreffer entpuppte. Franck Honorat stand zwar am nächsten zum Torschützen, aber ihm wie der gesamten Mannschaft ist in dieser Szene kein großartiger Vorwurf zu machen. Derartige Sonntagsschüsse, die einem Spieler vielleicht alle 1-2 Jahre einmal gelingen, sind kaum zu verhindern. Honorat war insbesondere in der ersten Halbzeit ein Aktivposten, der wie vor dem 1:0 einige starke Flanken in den Strafraum brachte. Verbesserungswürdig waren dagegen seine Standards, die zu selten für echte Torgefahr sorgten.

Auch nach dem 1:1 blieb Borussia weiter überlegen, sodass das Ergebnis nach ca. 35 guten Minuten wie eine Farce wirkte. Erst danach flachte die Partie ab und die Fohlen ließen ihren Gegner zunehmend besser in die Partie kommen. Dies setzte sich in der zweiten Halbzeit fort, wo die Gäste auf einmal sogar die besseren Torchancen besaßen. Anders als beim ersten Gegentor bahnte sich das zweite an und war – isoliert auf die zweite Halbzeit bezogen – nicht einmal unverdient.

Borussias Offensivbemühungen, die zwischen Minute 35 und 65 vollständig zum Erliegen gekommen waren, wurden durch den Dreifachwechsel wiederbelebt. Insbesondere Nathan Ngoumou verstand seine Chance mit großem Engagement zu nutzen. Besonders erfreulich war, wie er sich auf seiner Seite durchzusetzen verstand. Etwas, was ihm in der vergangenen Saison noch vollständig gefehlt hatte und elementar ist, um in der Bundesliga bestehen zu können. Gerade gegen müder werdende Gegner kann Ngoumou mit seiner Schnelligkeit enorm wertvoll sein, wie er gegen Mainz unterstrich. Es kam daher nicht von ungefähr, dass er später den Ausgleichstreffer eines weiteren Jokers vorbereitete.

seitenwahl 202001251716 AJ7X7344Joe Scally rettete mit seinem Sonntagsschuss wenigstens den einen Zähler, der weniger fürs Punktekonto als für die Moral wichtig war. Borussia hatte sich nach dem 1:2 in der Schlussviertelstunde doch noch mal etwas vorgenommen und kämpfte sich erfolgreich zurück in die Partie. Dem US-Amerikaner war das Erfolgserlebnis nach dem schwierigen Saisonstart besonders zu gönnen. Es ändert aber nichts daran, dass er defensiv noch stark an sich wird arbeiten müssen – nicht nur um ein vermeintliches Interesse von Großklubs wie dem AC Mailand zu rechtfertigen.

Cvancara und Koné erreichten zwar noch immer nicht ihre Bestform, sollten im Normalfall aber in diese Mannschaft gehören. Jordan Siebatcheu machte erneut keine schlechte Partie. Ihm fehlt aber die Kaltschnäuzigkeit, mit der der Tscheche durchgängig Torgefährlichkeit ausstrahlt.

Die erfreulichste Erkenntnis des Abends war, wie die Mannschaft erneut Charakter bewies und – wie schon in Augsburg und Darmstadt – eine drohende Niederlage abwendete. Die Fans im Stadion haben ein sehr feines Gespür dafür, wenn ihre Mannschaft alles gibt und sich nicht aufgibt. Anders als in den vorherigen Jahren ist dies aktuell der Fall, weshalb die Stimmung weiterhin gut ist. Es sind nicht immer nur die Ergebnisse, die über die Wahrnehmung der Teamleistung entscheiden.

Aber natürlich sind es am Ende speziell die Ergebnisse, die den Saisonverlauf maßgeblich beeinflussen. Sechs Punkte aus den ersten sieben Partien sind ein sehr durchwachsener Start, selbst wenn darunter drei Heimspiele gegen die derzeit stärksten Mannschaften des Landes gewesen sind. Zugleich stand Borussia nämlich auch den vier vermutlich schwächsten Teams der Liga gegenüber und konnte hier nur einen Sieg erzielen. In all diesen Partien wurde der Gegner streckenweise dominiert. Gegen Augsburg und Mainz jeweils 35 Minuten lang, gegen Darmstadt die gesamte zweite Halbzeit und gegen den VfL Bochum sogar 60 Minuten. Mehr als das scheint die junge Fohlenelf bisher aber noch nicht bewerkstelligen zu können. Sie wird dies lernen müssen, da 35-45 starke Minuten selbst gegen den FSV Mainz 05 nicht ausreichen und gegen stärkere Gegner eine Niederlage befürchten lassen.

seitenwahl 202001251644 AJ7X7065Die Mainzer hatten in dieser Saison noch kein einziges Mal mehr als ein Tor erzielen können. Trotz des Sonntagsschusses ist es daher kein gutes Signal, dass es im Borussia-Park erstmals zwei gewesen sind. 10 Gegentore gegen die Low-4-Klubs der Liga sind zu viel und bedürfen einer grundlegenden Analyse. Insgesamt hat sich Borussia defensiv nach der katastrophalen Halbzeit in Darmstadt stabilisiert. Es wäre aber hilfreich, wenn endlich auch mal Spiele ganz ohne Gegentor möglich wären.

Nach der Länderspielpause warten mit Köln und Heidenheim zwei weitere Gegner, denen Borussia auf dem Papier überlegen sein sollte. Hier sind mindestens drei bis vier weitere Punkte erforderlich, um sich weiter von der Abstiegszone fernzuhalten. Danach kann ein erstes seriöses Zwischenfazit dieser Saison gezogen werden. Ein wirklich rundes Bild darüber, ob der Umbruch tatsächlich geglückt ist, wird aber frühestens zum Ende dieser Saison erkennbar sein können.

Spannend wird sein, wie sich Borussia gegen all die Mittelklasse-Teams schlagen wird, die bis Jahresende überwiegend auf sie warten und mit denen sie sich nach den bisherigen Eindrücken dieser Saison auf Augenhöhe befinden sollte. Hier wird insbesondere in Sachen Konstanz eine Steigerung zur bisherigen Saison erforderlich sein, da diese Gegner temporäre Schwächephasen während einer Partie i. d. R. stärker bestrafen werden.

seitenwahl 202308261957 IMG 0365Es ist daher positiv zu werten, dass sich Seoane und die Mannschaft nicht zufrieden geben mit dem späten Punktgewinn, sondern weiter kritisch an den Schwächen arbeiten, die diese junge Mannschaft noch ganz natürlich haben muss. Wichtig ist, dass sich die Elf möglichst von der Abstiegsregion fernhält, da dies den Druck deutlich erhöht und im schlimmsten Fall eine gefährliche Abwärtsspirale einleiten könnte. Darüber hinaus ist in dieser Saison einzig die Perspektive wichtig, die sich in der Mannschaft zeigt.

Hier kann schon nach sieben Spieltagen einiges Erfreuliches mitgenommen werden. Einzelne junge Spieler wie Reitz, Ngoumou, Elvedi oder Nicolas zeigen eine positive Entwicklung. Es ist bereits jetzt deutlich zu erkennen, was der Trainer mit dieser Mannschaft vorhat und was diese Mannschaft in guten Momenten zu bewerkstelligen in der Lage ist. Mit dem 3-5-2 wurde sehr früh ein System gefunden, in dem sich der aktuelle Kader offensichtlich am wohlsten fühlt. Auf all diesen Punkten kann der Trainer aufbauen und die Entwicklung fortsetzen. Wenn in Sachen Stabilität und Konstanz zugelegt werden kann, dann werden die Ergebnisse ganz von selbst kommen. Es muss aber klar sein, dass dies alles kein Selbstläufer ist, sondern kontinuierlicher harter Arbeit bedarf.

Ebenso muss klar sein, dass in so einer Entwicklungsphase Rückschläge früher oder später erfolgen werden. Schon ein einziges schwaches Derby könnte die bisher noch positive Stimmung im Umfeld kippen lassen und das bislang halbvolle Glas mit einem Zug leeren. Es muss und sollte noch nicht unbedingt so früh passieren. Aber erst nach den unvermeidlichen Rückschlägen wird sich zeigen, wie stark Borussias Umfeld wirklich ist und ob es dann gelingen wird, weiter die Ruhe zu bewahren sowie Mannschaft und Trainerteam zu vertrauen. Genau daran sind so viele Traditionsvereine in der Vergangenheit gescheitert. Es bleibt zu hoffen, dass sich Borussia Mönchengladbach nachhaltig als stärker erweisen wird.